Watercamper | Journalistenreise

Schloss Rheinsberg

Tour durch die Kleinseenplatte

Einsteigertauglicher 6-Tage-Törn ohne Sportbootführerschein nur mit der Charterbescheinigung in die kulturreiche Kleinseenplatte zwischen Mirow und Rheinsberg.

Sie sind durch ganz Europa gefahren!? Immer dabei: Ihr Wohnwagen oder Ihr Wohnmobil. Ist es nun, nach all den Reisen, nicht an der Zeit, etwas neues zu wagen? Warum also nicht mit dem Camper aufs Wasser? Sie kommen in Buchholz am Südufer des Müritzarmes an, schieben Ihre "fahrende Ferienwohnung" auf den Ponton − und los geht der Törn.
Quelle: Magazin Seenland | Autor: Hans-Joachim Guth

Mit dem Wohnmobil auf das Wasser

Nun also ein Watercamper. Was bitte schön soll das denn sein? Boots kenne ich seit meiner frühsten Kindheit. Mehr als zehn Jahre habe ich gerudert − meistens im Einer und somit stets allein mit mir, dem Wasser und der Natur. Wenn sich Zeit fand, die Natur zu beobachten. Schließlich war der Trainer mit seinem Motorboot stets in der Nähe. Trotzdem, alles, was sich auf dem Wasser bewegen lässt, will ich gern bewegen − warum nicht einen Wassercamper.

Watercamper mit fest eingebautem de Luxe Wohnwagen

Tag 1: Buchholz − Vipperow − Rechlin − Mirow
Den Watercamper finden meine Crew und ich in Buchholz. Dort in der Marina am südlichen Ende des Müritzarmes hat Jürgen Brand sein nicht alltägliches Angebot vor Anker liegen. Nicht alltäglich, weil ich mit meinem Camper einfach auf eine schwimmende Plattform fahren und sodann das größte zusammenhängende Wassersportrevier Europas erkunden könnte. Mit dem eigenen Wohnwagen oder dem eigenen Wohnmobil übers Wasser. Sofern der Camper nicht mehr als acht Meter lang, 3,20 Meter hoch, 2,50 m breit und 4,5 Tonnen schwer ist. Für mich kein Problem − ein solches Gefährt befindet sich nicht in meinem Besitz. Was Jürgen Brand nicht weiter stört. Der Chef der 2012 gegründeten "Müritzboot-Watercamper-Hausbootvermietung" bietet auch Törns an, bei denen der Luxus-Camper schon fest eingebaut ist.

Genau das Richtige für meine drei Matrosen und mich. Also entern wir den "Fletscher Christian", der mit vier Metern Breite und zwölf Metern Länge beachtlich viel Raum bietet. Blitzsauber ist das Schiff, die Echtholz-Planken sind hochwertig und die Betten bezogen (Handtücher inklusive). Man muss sich nicht bücken, der Umlauf ringsum das Boot ist barrierefrei − keine Treppen, kein ängstliches Festhalten auf schmalem Pfad. Da denke ich doch sofort an ältere Menschen und an junge Familien mit kleinen Kindern. Vorne im Bug, da wo sich steuerbords der Fahrstand befindet, könnte man durchaus größere Feten feiern. Wir bescheiden uns auf einen Tisch und vier Stühle.

Windstille auf der Müritz

Führerscheinfrei campen und fahren.

Hinter dem Wohnwagen, im Heck also, haben Ralf und Heiko Besitz ergriffen von der ebenso großzügigen Fläche. Die Beiden wollen in den nächsten Tagen Aal und Hecht, Barsch und Zander an den Haken bekommen. Ihr mitgebrachtes Geschirr scheint auf den ersten Blick den Wert eines besseren Kleinwagens zu haben. Aus eigener Erfahrung weiß ich jedoch, dass des Anglers Glück nicht immer etwas mit teuren Haken zu tun haben muss. Aber, so bescheiden mir die zwei "Superangler", der Fisch werde am Ende des Törns gewogen. Sicherheitshalber jedoch hat Peter, der vierte Mann an Bord, dafür Sorge getragen, dass wir in den nächsten Tagen weder hungern noch dürsten müssen. Eine gute Idee.
Apropos Heck. Hier befinden sich nicht nur eine geräumige Plattform, zwei fest verbaute Angelhalterungen und der Antrieb. Auch zwei Leitern sind vorhanden. Die man braucht, um nach einem Sprung ins Wasser wieder an Bord gelangen zu können. Weil ich − entgegen aller guten Vorsätze − immer noch nicht im Besitz eines Binnenführerscheines bin, weist mich Jürgen überaus freundlich in all das ein, was ich wissen muss, um in den nächsten Tagen die "Fletscher Christian" entspannt und unfallfrei in Richtung Rheinsberg schippern zu können.

Diese dreistündige Schulung in Theorie und Praxis ist gut für den Vercharterer, ist aber auch gut für mich. Altes Wissen wird aufgefrischt, die Besonderheiten des Watercampers werden im Detail besprochen. Dann ein Handschlag − Jürgen Brand weiß sein Boot in guten Händen und ich fühle mich bereit mit meinen Jungs auf große Fahrt zu gehen.

Sonnenaufgang über der Mü:ritz

Beim "Zanderpapst"

Buchholz ist der ideale Ausgangspunkt für uns − und noch besser für Skipper, die sich das erste Mal an ein Ruder trauen. Wer vielleicht noch ein wenig über die kommenden Tage planen und nachdenken möchte, dem sei eine erste Übernachtung an Bord empfohlen. An Bord findet sich im Camper alles, was man heute so erwarten darf, Küche, Klo, Bad mit Dusche, Flatscreen−TV per nachführender Satellitenanlage − und alles durchaus vom Feinsten. Ein zweites Argument für eine erste Übernachtung an Bord in der Marina Buchholz ist zweifellos das Gasthaus "Zu den drei Linden" − kulinarisch die erste Adresse nur wenige Schritte vom Hafen entfernt. Aber Achtung: Das Restaurant ist nicht nur bei den hier vor Anker liegenden Skippern bekannt. Besser ist, man reserviert rechtzeitig. Das Essen in dem schon in fünfter Generation geführten Familienbetrieb ist über jeden Zweifel erhaben. Nicht umsonst nennt man Jürgen Reuprecht auch "Zanderpapst".

Wassercamper von Müritzboot

Manövrieren: problemlos

Mein Plan indes sieht keine Einkehr vor. Ich will am Abend in Mirow festmachen. Insofern verzichte ich auch, in einer der zahlreichen idyllisch gelegenen Buchten de Anker fallen zu lassen. Also Leinen los und Kurs auf − zunächst Vipperow. Das schöne am Müritzarm ist, dass auch der Einsteiger sich in nächsten fast zwei Stunden ungestört mit seinem Boot vertraut machen kann. Das Wasser ist breit und tief minus; es finden sich keine Hindernisse und kaum Seezeichen. Jegliches Manöver ist hier ungestört trainierbar. Ich nutze die Zeit, um herauszufinden, wie sich der Fahrstand vorne mit dem Heckmotor (Mercury/Big Foot − Schubantrieb) versteht. Sie verstehen sich gut. Die etwa zehn Meter Abstand werden per Hydrauliköl−Leitung überwunden. Die minimale Verzögerung der Lenkeinschläge Fahrstand bis zum Antrieb sollte man nicht ignorieren − sie ist aber auch nicht problematisch. Mit zunehmender Fahrtzeit hat man das einfach intus. Was der Watercamper partout nicht mag sind abrupte Lenkmanöver. Also immer darauf achten, dass der Motor geradeaus läuft (die Heckkamera zeigt dies zuverlässig auf dem Bildschirm am Fahrstand an), moderat einschlagen und dann wieder in die Nullstellung − fast 50 Quadratmeter Boot sind eigentlich problemlos zu manövieren.

Variowohnmobil auf dem Wasser

Bratwurst statt Frischfisch

Gut, wir glauben, alles im Griff zu haben. Anerkannt ist zudem, dass an Bord letztlich nur das Wort des Skippers gilt −ein ehernes Gesetz auf See. Selbst wenn er eine Fehlentscheidung trifft, muss seinem Wort Folge geleistet werden. Schließlich ist es der Skipper, der die alleinige Verantwortung für Schiff und Crew trägt. Was nicht heißt, dass ich nicht Ralf dankbar wäre. Mit Führerschein Binnen und See ausgestattet, steht er mir doch mit dem einen oder anderen Rat auf dem Hinweg nach Rheinsberg zur Seite. Dort nämlich wird er von Bord gehen. Aber so weit sind wir noch lange nicht. Der Müritzarm liegt hinter uns, die Bundesstraße 198 unterqueren wir mühelos. Und backbords gibt es was auf die Hand. Ein kurzes Anlegemanöver − Bug− und Heckstrahlruder werden dafür noch nicht benötigt − und schon stehen wir bei den Müritzfischern in Vipperow an wegen eines frischen Fischbrötchens. Das ist wirklich frisch und ich frage meine Profi−Angler noch, ob sie sich vielleicht doch besser mit Frischfisch eindecken sollten. Die winken ab, man werde schon etwas auf den Grill bekommen. Peter sei Dank, wir haben noch Bratwurst, Nudeln, Tomatensoße, Jagdwurst, Zwiebeln und vieles mehr an Bord. Für den Moment gestärkt fahren wir weiter auf Rechlin zu. An der Wasserscheide mitten in der Kleinen Müritz − lege ich das Ruder in Richtung Mirow. In der Müritz−Havel−Wasserstraße wird es erstmals enger. Aber bei dem steuerbords verbautem Fahrstand und dem hier geltenden Rechtsfahrgebot muss ich mich nur am rechten Ufer orientieren. Kein Problem für niemanden. Und wir vier Männer haben die Zeit zum Philosophieren. Hat der Schöpfer vielleicht doch von hier aus das Paradies geformt? Eingetaucht in die spätnachmittägliche Sonne dieses wunderschönen Herbsttages hängt jeder seinen Gedanken nach. Und macht den anderen auf den Fischreiher aufmerksam, auf den Kormoran, auf den Graureiher und − auf Seerosenfelder, die man gut beangeln könnte.

Ich empfinde ein Stück Demut und Dankbarkeit. Und Stolz! Schließlich ist das meine Heimat. Hier bin ich zu Hause und hier ist es gut so. Das war übrigens auch die Einschätzung eines Ehepaares aus der Schweiz. Die waren kurz vor meiner Ankunft in Buchholz mit Ihrem eigenen Wohnwagen von Bord gegangen. "Begeistert trifft es nicht", sagte Jürgen Brand vor unserer Abfahrt. "Die waren mehr als 1.000 Kilometer unterwegs, um mit ihrem eigenen Camper auch auf dem Wasser unterwegs sein zu können. Feste Zusage: Beide wollen wieder kommen und Freunde mitbringen." Könnte die Region gut gebrauchen, denke ich, während wir am Müritz−Flugplatz vorbei schippern. Zu Kaisers Zeiten gebaut, im Dritten Reich genutzt, zu DDR-Zeiten unter sowjetischer Hoheit, dümpelt das Riesenareal heute vor ich hin. Von den vollmundigen Ankündigungen nach der Wende ist nur eine schnöde − wenn auch riesige − Landebahn für den einen oder anderen Privatflieger geblieben. Gut für ihn, schlecht für die Region. In aller Gemächlichkeit steuern wir auf die erste Schleuse zu: die einzige Guillotine−Schleuse auf unserer Fahrt. Guillotine deshalb, weil sich diese Schleuse nicht mit zwei Toren öffnet oder schließt. Nein das riesige Tor hängt bei der Einfahrt bedrohlich über dem Boot. Aber so sicher, dass es bis dato noch kein Schiff zerlegt hat.

Camping auf dem Wasser

Ole, das Mirower Original

Vier Schleusen gilt es bis Rheinsberg zu meistern. Und auch hier an der Mirower Talfahrt kommen dem Einsteiger zwei Dinge zupass. Erstens: In der Vor− und Nachsaison gibt es so gut wie keinen Stau − was im Sommer ganz anders aussieht. Man muss sich also nicht Meter um Meter vortasten. Zweitens: Es ist die größte Schleuse weit und breit. Was heißt, das auch der Neu−Skipper problemlos hinein findet − zumal wenn er wie beim Watercamper auf Bug− und Heckstrahlruder zurückgreifen kann.

Lange Rede − kurzer Sinn, die Schleuse ist schnell passiert. Wir schippern − gut drei Meter tiefer − auf die Mirower Schlossinsel zu. Wo Ole schon wartet. Wenn es ein Original zwischen Buchholz und Rheinsberg gibt, dann ist es zweifellos eben dieser Ole, von dem die wenigsten Skipper den Nachnamen (Hauburger übrigens) kennen − Hafenmeister Ole eben. Ole weist uns ein, Ole macht den Kahn fest, Ole kümmert sich um alles. Vor mehr als zwanzig Jahren hat es den Mann, der eigentlich auf dem Bau zu Hause war, aus dem Süden der ehemaligen DDR nach Mirow verschlagen. "Nein", sagt er, "das habe ich nie bereut. Frische Luft und immer wieder neue Menschen − was willst du mehr". Angesprochen auf den Unterschied zwischen Bootsführerschein mit und ohne Schein, meint er mit seinem verschmitzten Lächeln: "Da habe ich schon einige kennengelernt. Die hatten einen Schein." Ich habe keinen und dennoch den Eindruck, als wäre Ole nur für uns da − Brötchenservice inklusive. Keine Frage − auf dem Rückweg werden wir ganz gewiss hier wieder festmachen.

Bruchwald am Ufer der Müritz

Ole "Mirokesen"

Die vom Bootsservie "Rick & Rick" betriebene Marina befindet sich nur einen Steinwurf entfernt von historisch Bedeutsamen. Die herrschaftlichen Gebäude, die hier ab 1709 als Witwensitz errichtet wurden, kannten drei Herzoginnen. Nicht zu vergessen: Hier in Mirow wurde Sophie Charlotte geboren, die Frau, die 1761 nach England ging, um dort Königin zu werden. Jene Engländer, die später gen Amerika aufbrachen, ehrten ihre geliebte Königin, indem sie die Hauptstadt des Staates North Carolina nach Ihr benannten, Charlotte ist heute einer der bedeutendsten Finanzstandorte der USA und einer der Countys dieses Staates heißt Mecklenburg County.
Das weiß man, wenn man hier geboren ist und ein wenig Interesse an Historie hat.
Neu war mir, dass Kronprinz Friedrich Wilhelm, der später König Friedrich II. − auch Friedrich der Große genannt − gelegentlich in Mirow vorbeigekommen sein soll. Glaubt man dem Volksmund, soll er die Einwohner von Mirow auch "Mirokesen" genannt haben.

Nach kurzer Beratung mit der Crew ist dann auch schnell klar, dass wir die von Mirow aus immer noch möglichen Routen in Richtung Fürstenberg oder Neustrelitz links liegen lassen würden (ürsprünglich hatten wir uns darauf verständigt, dass der Weg unser Ziel sei.) Rheinsberg ist definitiv unser Ziel und jene königliche Herberge, in welcher der Alte Fritz nach eigenem Bekunden die schönsten Jahre seines Lebens verbracht haben will. Nur, während der Kronprinz die Ungemach einer holperigen Kutschfahrt ertragen musste, kann ich meiner Crew schönes herbstliches Wetter und ruhige See versprechen. Dennoch, nach dem historischen Exkurs fühlen wir uns in den Spuren des − wie er sich selbst nannte − ersten Diener seines Staates.

Müritzhafen in Buchholz

Tag 2: Mirow − Diemitz − Canow − Kleinzerlang

Der Morgen graut. Nebel liegt über dem Mirower See. In der Marina herrscht gegen sieben Uhr Stille. Bis Heiko und Ralf, natürlich mit einer Stunde Verspätung, ins Beiboot steigen, um endlich Fisch anzulanden. Petri Heil − Peter und ich haben nicht viel Zutrauen in die Jungs und bereiten derweil ein normales Frühstück vor. Die kleine, aber mit allen Notwendigkeiten versehene Pantry bietet beste Möglichkeiten, vier Männer auch ohne fangfrischen Fisch auf den Tag vorzubereiten. Über den gezapften Landstrom habe wir zudem reichlich Heißwasser an Bord, um später auch den Abwasch bewältigen zu können.

Gut zwei Stunden später kommen die Petrijünger wieder an Bord. Ich hatte schon den Mirower See geraume Zeit mit dem Fernglas abgesucht, um sicher zu sein, dass wir die vereinbarte Ablegezeit einhalten können. Allerdings steuerten Ralf und Heiko die Marina aus einer Richtung an, die ich nicht vermutet hatte. Beide Angler waren frohen Mutes − nicht wegen eines vermeintlichen Fanges. Wohl aber wegen eines Bauches, den sie sich schnell beim Fischer vollgeschlagen hatten. Übrigens, um dieses Kapitel endgültig abzuschließen: Auf den Grill hat es kein Fisch geschafft − teuer Haken ist halt nicht sicher Fisch.

Luftbildaufnahme des Watercamper

Gut durchgeschleust

Mirow liegt hinter uns. Es ist ja erst der zweite Tag unserer Reise und wir haben beschlossen, uns einfach treiben zu lassen. Der Motor nimmt dieses Angebot dankend an. Bei einer Geschwindigkeit zwischen sechs und sieben Stundenkilometern zieht er gerade einmal etwas mehr als drei Liter Super aus dem Tank. Und davon haben wir 120 Liter − einschließlich Reserve − an Bord. Unterwegs tanken fällt da schon mal aus.

Die nächste Schleuse erwartet uns in Diemitz. Ich habe aus Hochsaison−Zeiten grausige Erinnerungen an diesen Ort. Damals fuhr ich mit einem dicken Hausboot auf die Schleuse zu. Dumm nur, das an die 50 Skipper vor mir die gleiche Idee hatten. In einer kleinen Bucht unmittelbar vor diesem Nadelöhr kreuzte ich mit dem 15 Meter langen Boot mühselig auf und ab. Und musste zusehen, wie urplötzlich eine weiße Yacht an uns allen vorbeimachte. Eine Dame offensichtlich verwirrt von den lauten Ermahnungen (Beschimpfungen waren auch dabei), rief uns achselzuckend zu: "Ich will doch nur schleusen!" Den Rest zu schildern, erspare ich mir. Jedenfalls stellte sich die denn noch da an, wo sie hingehörte − ans Ende der Wartenden. Niemand von ihnen wolte an der Diemitzer Schleuse Urlaub machen. Diesmal macht mir Diemitz keine Probleme. Dumm nur, dass wir just zu der Zeit ankommen, wo Mittagspause angesagt ist. Aber diese halbe Stunde tut nicht weh. Füße vertreten an Land, noch ein Blick auf die Karte und die Gewissheit, dass wir Klein Zerlang schon zum frühen Nachmittag erreichen werden. Problemlos. Fast, denn auf dem Weg zur Schleuse von Canow kommt auf dem Labussee denn noch ein Wind auf, der uns von backbord anpustet. Da unser Watercamper samt Aufbauten deutlich niedriger liegt als die zwei schwimmenden Gartenlauben vor uns, kann ich mich auf die neuen Verhältnisse einstellen, leicht gegensteuern − alles gut.

Schleuse Nummer drei: Canow. Vor mir liegen drei Boote, die mich seit Diemitz überholt haben. Sie haben allerdings gut 100 Meter vor einem vierten Schiff festgemacht. Heiko meint, ich solle vorfahren. Laut Wasserschifffahrtsverordnung verliere nämlich der sein Vorfahrtsrecht, der nicht die unmittelbar mögliche Nähe zur Schleuse suche. Gesagt getan und böse Blicke geerntet. Indes, im Sommer bei Hochbetrieb, kann ein solches zögerliches Verhalten schon für größeren Ärger sorgen. Nach der Schleuse braucht es noch knapp eine Stunde und schon ist die Marina "Boot und Mehr" in Kleinzerlang in Sicht. Ein Liegeplatz ist um diese Jahreszeit hier am Pälitzsee schnell gefunden.

Stand Up Paddel auf der Müritz

Tag 3: Kleinzerlang − Rheinsberg

Ein neuer Tag holt uns aus den Federn − wieder ohne Fisch, wohl aber mit frischen Brötchen, und natürlich mit seichten Nebelschwaden über dem Wasser und aufgehender Sonne. Der Rest findet sich am Frühstückstisch. Nach Rührei, Bacon und Marmelade hält uns nichts mehr. Der Alte Fritz und Rheinsberg warten.

Südufer der Müritz

Elektronische Zukunft

Zunächst gilt es jedoch, die Schleuse Wolfsbruch zu passieren. Die verbindet seit 1881 Rheinsberg und Zechlin mit dem Seengebiet der Müritz und der Havel. Durch kommt heute nur, wer selbst Hand anlangt. Die Schleuse Wolfsbruch ist quasi die Schleuse der Zukunft − ohne Schleusenwart, mit dem man sich auf einen Schnack einlassen, der einem vielleicht den eine oder anderen Tipp für die nächsten Kilometer geben könnte. Auch in Canow und Diemitz sind die Stunden dieser Wärter mehr oder weniger gezählt. Das Schleusen wird damit nicht schwieriger − falls jeder weiß, was zu tun ist. Aber Flair verlieren diese Orte allemal. Dafür kommen elektronische Anzeigetafeln, die aus dem fernen Eberswalde gesteuert werden. Schade eigentlich.

Aber nicht zu ändern und ich darf ja auch nicht vergessen, dass wir heute möglichst zeitig in Rheinsberg festmachen müssen. Zum einen, weil Ralf von Bord geht und zum anderen, weil wir gemeinsam noch ein wenig Kultur machen wollen. Und entgegen manch anderen Empfehlungen bleibe ich dabei: Der Yachthafen Rheinsberg − am seeseitigen Ende der Kurt-Tucholsky-Straße gelegen und keine fünf Gehminuten vom Schloss entfernt − ist das Beste, was einem Skipper in Rheinsberg passieren kann. Die Marina im Ganzen bietet einen sehr schönen Anblick, der Sanitärtrakt ist in Ordnung und die Liegegebühr von 20 Euro für 24 Stunden sind durchaus angemessen. Nun aber Kultur am dritten Tag unseres Törns. Die wollen wir nicht zu Fuß erleben, wir steigen einfach bei Henry in die Kutsche. Der ist Kutscher aus Passion und das schon seit seinem zehnten Lebensjahr. Der Mann weiß viel zu berichten und fährt mit uns durch den oberen Schlosspark mit Foto-Halt am Obelisk, der von Prinz Heinrich zum Andenken an seinen Bruder August Wilhelm 1790 errichtet wurde. An der Vorderfront des Denkmals befindet sich das Reliefporträt von Prinz August Wilhelm. Nicht nur an ihn soll das Monument erinnern, es soll auch den preußischen Helden des Siebenjährigen Krieges und an all denjenigen gedenken, die es durch ihre Tapferkeit und Einsicht verdient haben. Unter den vielzähligen Helden wählte Prinz Heinrich 28 aus und verewigte diese ehrenvoll auf dem Rheinsberger Obelisken.

Weiß Henry und fährt uns weiter durch die Geschichte Rheinsbergs bis in die Gegenwart. Und die heißt für mich: Wir müssen Proviant fassen. Nach einem kurzen Handel lässt sich Henry von uns erweichen und lenkt seine Pferde zum nächsten Supermarkt. Bepackt mit all dem, was wir für die Heimfahrt brauchen, kommen wir schließlich − zum großen Erstaunen der anderen Skipper − an unserem Liegeplatz per Kutsche an. Peter belohnt die Pferde mit einem Bund Möhren, derweil wir anderen aus− und umladen. Ein wenig fühlen wir uns wie weiland der Kronprinz − wenigstens was die Kutschfahrt anbelangt.

Sonnenuntergang über der Müritz

Tag 4 bis 6: Rückreise − natürlich mit Zwischenstopp bei Ole

Zurück geht es auf eben der gleichen Route. Nur Ralf, der Mann mit den beiden Bootsführerscheinen ist nicht mehr an Bord. Wir sind nur noch zu dritt auf der "Fletcher Christian". Ich hatte schon am Abend zuvor geschaut, wie ich wohl ohne fachmännische Hilfe aus unserer Parkbox herauskommen könnte. Und ehrlich − ich hatte da doch ein paar Sorgen. Steuerbord der Steg, zum Bug hin die Kaimauer, achtern und backbord von zwei anderen Booten eingekeilt. Mehr als fünf Meter maß das Mauseloch nicht, aus dem ich unser Boot herausmanövrieren musste. Sicherheitshalber hatten wir schon mal mit dem hinter uns liegenden Skipper gesprochen und vereinbart, dass er kurzzeitig Platz machen würde.

Wassercamper in der Wildnis

Des Skippers Stolz

Aber dann packt mich doch der Ehrgeiz. Leinen los, ganz kurz zurück, Ruder gerade und mit dem Heckstrahlruder den Watercamper etwa 30 Grad über backbord gedreht, leichte Fahrt zurück − ohne auch nur die kleinste Berührung verlassen wir den Hafen und nehmen Kurs auf Buchholz. Ein wenig Stolz fährt von diesem Moment an mit. Und die Gewissheit, dass es kein Problem ist, mit diesem schwimmenden Camper über die Seenplatte zu schippern.

Wohnmobil auf der Müritz